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"Die gute Fee":
Ein Märchen - nicht nur zur Weihnachtszeit

Die gute FeeEs war einmal eine Fee, die war so gut, daß sie nicht wußte, was das Böse ist. Sie lebte mit vielen anderen guten und auch etwas weniger guten Feen zusammen auf einem fremden Stern, der weit, weit fort von hier,fast am Rande des Alls seine Kreise zieht. Die gute Fee hatte die schönsten goldenen Haare und das lieblichste Gesichtchen aller Feen, die auf jenem Sterne lebten. Und so war sie recht glücklich und zufrieden.

Eines Tages jedoch geschah es, daß die gute Fee änglichst und besorgt dreinschaute. Und als die anderen Feen sie mitleidsvoll fragten, was ihr denn fehle, da antwortete sie nur:

"Ach nichts! Es wird schon wieder werden!"

Aber es wurde nicht besser mit der guten Fee. Im Gegenteil, sie zog sich mehr und mehr zurück. Und wenn man sie schon nochmal sah, dann war sie in einen Schleier gehüllt. Sonst hatte die gute Fee immer mit den lustigen Freundinnen im weiten Park ihres Schlosses gespielt und getanzt, hatte fröhliche Lieder gesungen und gelacht und gejauchzt von früh bis spät. Aber nun schloß sie sich gar in ihr kleines Dachkämmerlein ein, hoch droben unter den Zinnen des Schlosses. Und niemand bekam sie mehr zu Gesichte.

.......

(Illustrationen von Fritz Penzlin)

 

 

Aus der Einleitung:

Bert Brecht hatte einen guten Grund, als er auf die Frage, welche Bücher er mit auf eine einsame Insel nehmen würde, geantwortet hat: "Sie werden lachen: die Bibel und - die Märchen!" Mit beiden bin ich aufgewachsen, beide begleiten mich, und von beiden wünsche ich, daß sie den Menschen bleiben mögen - zur Deutung, zur Sinngebung, zur Tröstung ihres Lebens. Und weil in dieses Vermächtnis die Geschichte aller und jedes einzelnen Einlaß gefunden hat, müssen sie immer wieder neu erzählt, ge­schrieben, dargestellt werden - die Mythen der Bibel und die Geschichten der Märchen.

Ursprünglich wurden die hier veröffentlichten "Märchen und andere pädagogische Skurrilitäten" erzählt bzw. vorgelesen (morgens) in den Schulen sowie (abends) auf Lehrerfortbildungsveranstaltungen. Riefen Sie dort das hervor, was sich der Vortragende wünschte, wurden sie veröffentlicht - heimlich, unter wechselnden Pseudonymen, in ganz verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern. Und als der Druck größer wurde, diese mitunter recht bizarren Geschichten endlich - schön gedruckt - in einem Buch einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, gab ich halt nach, dem Druck - nicht der Öffentlichkeit.

Warnen möchte ich vor mancher Tücke: Wo die Betroffenheit mit ihrer endeetischen Rede daherkommt, sind die Fallgruben aus Spott und Ironie gut getarnt - nicht fern. Und wo die Geschichten spinnen und spötteln, da hat - zumeist vorher - irgendjemand geweint.

Rainer Winkel, im IC von Dortmund nach Berlin und von Berlin nach Dortmund