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Dissertation von Beate Forsbach

Beate Christiane Dethlefs-Forsbach

Fächerübergreifender Unterricht aus der Sicht des Faches Musik

Eine historisch-systematische Untersuchung von Theorien und Praxen sowie der Entwurf eigener Modelle und einer Konzeption des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik.

2005. 500 Seiten. Kt. ISBN 389676991X. € 39,80

Fächerübergreifender Unterricht hat seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewonnen. Spätestens seit TIMSS (1997) und PISA (2001) hat sich die öffentliche Diskussion über Schule, Unterricht und Erziehung ausgeweitet. Es wird über Leistungsstandards und Basiskompetenzen, aber auch über reformpädagogische Konzepte und Modelle diskutiert. Dabei tritt fächerübergreifender Unterricht fast immer als Element der Schul- und Unterrichtsreform in Erscheinung. Wo Bildung allerdings einseitig unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet wird, ist das Fach Musik nicht mehr selbstverständlich im Fächerkanon der allgemeinbildenden Schule verankert. Eine Legitimation aufgrund der traditionellen fachlichen Inhalte erscheint zunehmend fragwürdig.

Die Autorin formuliert daher ihre Ausgangsfrage so: „Wie kann das Fach Musik durch die Zusammenarbeit mit anderen Fächern Identität erfahren und gleichzeitig reformpädagogischen Ansprüchen genügen?“ Die Arbeit versteht sich als Beitrag zur Fachdidaktik und zur Didaktik des fächerübergreifenden Unterrichts, aber auch als Beitrag zur Theorie der Schule und zur aktuellen Schulreformdiskussion. So wechselt die Perspektive der Untersuchung mehrmals zwischen der allgemeinen Schulpädagogik und der Musikpädagogik.

Ausgangspunkt der Arbeit ist die dreifache Fragestellung: „Was ist fächerübergreifender Unterricht mit Musik, welchen Stellenwert hat er realiter im Rahmen der Schulpraxis, welchen soll er zukünftig haben?“ Dementsprechend ist die Arbeit in drei große Teile gegliedert: Teil I ist eine historisch-systematische Analyse von Grundlagen und Begründungen des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik, Teil II eine aktuelle Bestandsaufnahme des fächerübergreifenden Unterrichts in der Schulpraxis, Teil III enthält zukünftige Perspektiven für den Musikunterricht im Kontext einer reformpädagogischen Schule des Lebens und Lernens.

Der erste Teil der Arbeit informiert zunächst über die Idee des fächerübergreifenden Unterrichts in der Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den reformpädagogischen Konzepten ist der fächerübergreifende Unterricht meist nicht das eigentliche Ziel der Veränderung, sondern ein Mittel zur Erreichung des Ziels oder eine Folge aus ihm. Die Motive für fächerübergreifenden Unterricht lassen sich unter dem Grundgedanken des ganzheitlichen Lernens zusammenfassen: eine „Pädagogik vom Kinde aus“, das „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“, die „demokratische (Mit)gestaltung der Schule und ihre Ausgestaltung als Gesellschaft im Kleinen“ sowie die „Wahrung des Zusammenhangs des Lernens“.

Die Geschichte der Musikpädagogik zeigt ein ständiges Ringen um die „Identität des Faches Musik“ und seine Gleichberechtigung im Fächerkanon. Ausgangspunkt der historischen Darstellung aus der Sicht des Faches Musik ist die Schulmusikreform der 1920er Jahre. Dort sollte das neue Fach Musik durch die Betonung der Querverbindungen mit anderen Fächern aus seiner Isolation befreit und damit aufgewertet werden. Ausführlich wird die kritische Diskussion um die Schwierigkeiten der Realisierung des fächerübergreifenden Prinzips dargestellt. Die Gründe für das Scheitern der Reform sind aufschlussreich im Hinblick auf den fächerübergreifenden Unterricht und die Entwicklung des Faches Musik.

In der Geschichte der Musikpädagogik nach 1945 sind meist erst „auf den zweiten Blick“ Ansätze fächerübergreifenden Unterrichts erkennbar. In musikpädagogischen Konzeptionen der 1970er Jahre finden sich Anregungen zum fächerübergreifenden und projektorientierten Unterricht sowie zur Veränderung der Lehrer- und Schülerrolle. Damit verbunden ist meist eine Kritik am ausschließlichen Fachunterricht. In den 1990er Jahren findet in Theorie und Praxis ein Wandel der Lernkultur statt. In neuen Unterrichtskonzepten sowie zahlreichen Reformschulen bekommen die reformpädagogischen Ideen eine neue Aktualität. Nahezu alle Konzepte favorisieren auch fächerübergreifenden Unterricht. In den meisten neueren Lehrplänen wird fächerübergreifender Unterricht als wesentliches Prinzip und notwendige Ergänzung zum Fachunterricht ausdrücklich gefordert. Musikdidaktische Trends zeigen sich in der Handlungsorientierung, der Schülerorientierung und dem Lebensweltbezug. Fächerübergreifendes und projektorientiertes Arbeiten gewinnen an Bedeutung.

Unter systematischen Gesichtspunkten wird das Verhältnis des fächerübergreifenden Unterrichts zum System des Fachunterrichts untersucht. Es werden Fragen der Allgemeinbildung und des Fächerkanons behandelt, wobei die Sonderstellung des Faches Musik diskutiert wird. Am Ende des ersten Hauptteils werden didaktische Aspekte zusammengestellt, die für die Entwicklung einer Konzeption des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik bedeutsam erscheinen. Nach einem Überblick über die Ziele werden Systematisierungsversuche des fächerübergreifenden Unterrichts verglichen. Viele der hier verwendeten Begriffe wie fachüberschreitend, fachübergreifend, fächerverbindend, fächerverknüpfend, überfachlich usw. bezeichnen Organisationsformen des fächerübergreifenden Unterrichts. Sie enthalten in der Regel noch keine Festlegung über Ziele, Methoden oder Teamarbeit der Lehrer. Da fächerübergreifender Unterricht und Projektunterricht häufig in Verbindung gebracht werden, erfolgt eine begriffliche Abgrenzung zum Projektunterricht.

Schließlich werden die für fächerübergreifenden Unterricht relevanten Methoden dargestellt, die in verwandten Unterrichtskonzepten gefunden worden sind. Es werden neun Kriterien des fächerübergreifenden Unterricht mit Musik bestimmt: Schülerorientierung, Lebensweltbezug und Problemorientierung als Ausgangspunkte, Ganzheitliches Lernen, Selbstbestimmtes Lernen, Handlungsorientiertes Arbeiten und Wissenschaftspropädeutisches Arbeiten als Arbeitsformen, Produktorientierung und Kommunikative Vermittlung als Zielhorizonte. Zum Schluss des Kapitels werden die Veränderungen der Rollen von Lehrern und Schülern im fächerübergreifenden Unterricht herausgearbeitet, wobei auf Literatur zu offenen und handlungs- bzw. projektorientierten Unterrichtsformen sowie Team Teaching Bezug genommen wird.

Der zweite Hauptteil der Arbeit ist eine Bestandsaufnahme des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik in der Schulpraxis. Ausgewertet werden zunächst alle in der Literaturdatenbank „FIS Bildung“ erfassten Veröffentlichungen zum fächerübergreifenden Unterricht aus den Jahren 1980 bis 2001. Mit Hilfe des im ersten Teil entwickelten begrifflichen Instrumentariums erfolgt eine Analyse von 87 ausgewählten Veröffentlichungen zum fächerübergreifenden Unterricht mit Musik, um bevorzugte Themen, Absichten, Organisationsformen, Veränderungen der Lehrerrolle und Probleme dieser Unterrichtsform zu systematisieren. Die Auswertung führt, zusammen mit den Ergebnissen der Theoriediskussion im ersten Teil, zu einem konzeptionellen Ansatz für fächerübergreifenden Unterricht mit Musik.

Dieser bildet die Basis zum Entwurf eigener Modelle und einer Konzeption des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik im dritten Teil der Arbeit. Hier stellt die Autorin vier Unterrichtsmodelle vor, die sie selbst in der Orientierungsstufe und den Sekundarstufen I und II eines Gymnasiums durchgeführt hat. Deren Analyse mündet in eine Konzeption des fächerübergreifenden Unterrichts mit Musik, die ein Planungsmodell für die Praxis enthält und in ein Konzept für den „Musikunterricht in der Schule des Lebens und Lernens“ integriert wird. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass das Fach Musik durch die Zusammenarbeit mit anderen Fächern sowohl Identität erfahren als auch reformpädagogischen Ansprüchen genügen kann, und somit in der Schule der Zukunft weiterhin Bestand haben wird.

Die Arbeit wird ergänzt durch eine umfassende Bibliographie, die für die weitere Entwicklung des fächerübergreifenden Unterrichts im Rahmen von Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung eine wichtige Hilfe sein kann.

Dr. phil. Beate Christiane Dethlefs-Forsbach ist Studiendirektorin a.D. für Musik und Mathematik und seit vielen Jahren in der Lehrerfortbildung tätig. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Musiklernen durch Musikmachen im Klassenverband (Jazz/Pop/außer­europäische Musik); Vermittlung klassischer Musik und Musikgeschichte; Fächerübergreifender Unterricht und Projektunterricht in den Sekundarstufen I und II; Musikunterricht und Allgemeinbildung; Musikunterricht und innere Schulreform.

Adresse:
Dr. Beate Forsbach
Franz-Ludwig-Straße 19
96047 Bamberg
Telefon: 0951/2996791
E-Mail:
mail@forsbach-musik.de
Homepage: http://www.forsbach-musik.de